Die feine Art ist es nicht, aber es wurde wohl schon von vielen getan – der eine hat es mit anderen gemacht, mit dem anderen wurde es gemacht: Die Rede ist vom Ghosting.
Früher hieß das einfach, jemanden nicht mehr zu beachten, sich nicht mehr melden. Heute ist es durch oftmals digitale Partnersuch mit einem etwas moderneren Begriff belegt worden, die „Abläufe“ sind aber identisch: Eine Person, mit der du eine zwischenmenschliche Beziehung pflegst oder aufbaust, verschwindet praktisch von jetzt auf sofort aus deinem Leben. Ohne Erklärung, einfach weg. Es werden keine Nachrichten mehr gelesen und/oder beantwortet, nicht auf Anrufe reagiert und meldet sich auch aus Eigenantrieb nicht mehr. Klar, irgendwann kommt es an, man akzeptiert und macht seinen Frieden damit (es bleibt einem ja nichts anderes übrig) – das ändert aber nichts daran, dass es wehtut und verletzt. Es bleiben so viele offene Fragen, die einem keiner beantworten wird, die man aber für sich trotzdem abschließen muss – auch als offene Frage. Selbstzweifel – „Habe ICH irgendetwas Falsches gesagt oder getan?“, „Hätte ich vielleicht etwas anders machen können?“ „Gab es Anzeichen dafür, dass er/sie keine Lust mehr auf mich hat?“
Und on the top, weil einen so ein voller Kopf noch nicht genug beschäftigt, kommt ja auch noch der eigentliche Verlust, der auch entsprechend zu Trennungsschmerz führt.
Wir beleuchten hier und heute mal den Aspekt des Ghostings während des Online-Datings.
Der Vorteil des Kennenlernens im Netz ist auch gleichzeitig der größte Nachteil: Anonymität. Man bleibt undercover, auch ein Abtauchen von jetzt auf sofort ist möglich.
Der erste Grund für Ghosting liegt also eigentlich klar auf der Hand:
Die Ghostenden haben Angst vor der Reaktion des Gegenübers und sind konfliktscheu, was das Gespräch angeht, das wohl unweigerlich folgen würde. Bevor sie also sagen, dass aus dem Kontakt keine Gefühle entstanden sind und keine Beziehung wachsen wird, verschwinden sie lieber klammheimlich. Das Anliegen ist nicht, jemanden aktiv zu verletzen, sondern eher Unsicherheit, die Scheue vor Konflikten und auch mal unangenehme Nachfragen etc. auszuhalten.
Auch die Möglichkeit, dass der Ghostende viele Kontakte parallel hat, ist durchaus gegeben. Auch das ist im Zeitalter des Online-Beschnupperns oft völlig normal. Menschen die nicht mehrere Eisen im Feuer haben, gefühlt die absolute Ausnahme. Wenn dann die Auswahl riesig ist und woanders „mehr geboten“ wird, springt man ab. Sollte man feststellen, dass die Chemie mit einem Kontakt nicht matcht, ist es allerdings eine Sache der Fairness, das offen zu sagen. So eine Mail dauert 2 Minuten – und zack, weiß der andere, woran er ist. Auch, sich selbst mal hineinzuversetzen, wie man das finden würde, kann helfen.
Was auffallend ist, wenn man sich mit dem Thema etwas eingehender beschäftigt und Zahlen sieht von denen, die schon mal geghostet haben – es sind überdurchschnittlich viele, die zuerst offen waren, ehrlich waren und direkt gesagt haben, dass aus dem Kontakt nichts entstehen wird. Nur wurde das eben nicht akzeptiert, es wurde immer wieder Kontakt gesucht – und somit bleibt einem langfristig wohl nur noch die Möglichkeit der Ignoranz. Wobei das wohl gar nicht als „richtiges“ Ghosting zählt, sondern als das bestehen auf Grenzen.
Für eine Beziehung oder Freundschaft müssen viele Dinge übereinstimmen und harmonieren. Es ist nicht schlimm, wenn der Funke nicht überspringt – aber auch hier gilt: Raus damit, nicht schweigen.
Die unbequeme Seite wäre der Aspekt des Selbstschutzes. Der geghostete hat vielleicht eine Art an sich, bei der man merkt, dass sie einem selbst nicht guttun würde, man fühlt sich unsicher oder unwohl. Nun ist es allerdings so, dass es in der Regel nicht zu Erfolg führt, Menschen mit ungesunden oder missbräuchlichen Charaktereigenschaften zu konfrontieren. Wenn man also an jemanden gerät, der Grenzen nicht akzeptiert, psychisch oder körperlich, sollte man gehen. Auch hier gilt: Das ist kein Ghosting.
Und – zu guter Letzt: Es ist die ewige Problematik, die Angst vor Verletzung und vor Nähe. Bevor etwas zu ernst wird, Gefühle zu intensiv werden, zieht man sich wortlos zurück, ziehen die Reißleine und liebäugeln mit einem Leben alleine. Der Grund liegt also am Ghostenden, nicht am Geghosteten – was es nicht weniger schmerzhaft für den plötzlich Ignorierten macht.
Wir stellen also fest: Ghosting mag mit Abstand der einfachste Weg sein, um jemanden loszuwerden. Es kostet praktisch keine Zeit und man muss sich nicht mit den Reaktionen und Gefühlen des Gegenübers auseinandersetzen – gewissermaßen nicht mal mit den eigenen. Ghosting mag der einfachste Weg sein, um jemanden eine Abfuhr zu erteilen – aber definitiv nicht der faire. Denn nur, weil man die Gefühle des anderen nicht sieht, heißt es nicht, dass sie nicht da sind.
Wie sind eure Erfahrungen mit dem Thema? Schreibt es uns gern in die Kommentare 😊
Euer City Team
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